Immer mehr Menschen steigen freiwillig ins eiskalte Wasser – nicht nur allein, sondern oft in Gruppen, mit Musik, Ritualen und viel Begeisterung. Ob am städtischen See, im Wildbach oder auf Instagram: Eisbaden ist „in“. Was zunächst wie eine extreme Mutprobe wirkt, hat sich zu einem Gesundheitsritual und einem Ausdruck von Resilienz und Selbstwirksamkeit entwickelt.
Vor allem der soziale Aspekt spielt dabei eine große Rolle. In vielen Städten und Dörfern entstehen Eisbade-Gruppen, Menschen verabreden sich zum „Morgentauch“, feiern ihre Erfolge auf Social Media – und wachsen gemeinsam über sich hinaus.
Diese Kältebegeisterung ist jedoch kein reiner Hype: Sie hat eine lange Geschichte und wurde in den letzten Jahren vor allem durch einen Mann weltweit bekannt gemacht – den Niederländer Wim Hof.

Kälte als Therapie ist nichts Neues. Schon in der Antike wusste man: Kaltes Wasser kann heilen, kräftigen und klären.
Hippokrates nutzte kalte Bäder zur Linderung von Entzündungen.
In russischen, finnischen und nordischen Kulturen gehört das Eisbaden seit Jahrhunderten zum Alltag, meist kombiniert mit einem Saunagang.
Im 19. Jahrhundert systematisierte Sebastian Kneipp die Anwendung von kaltem Wasser als Teil seiner Naturheillehre.
In diesen Kulturen wurde Eisbaden stets mit Disziplin, Reinigung, Gesundheit und Spiritualität verbunden. Dabei war es oft auch ein Gemeinschaftserlebnis – in Flüssen, Seen oder Badehäusern.

Wim Hof, geboren 1959 in den Niederlanden, machte das Eisbaden weltweit bekannt. Nach einem schweren persönlichen Verlust begann er, sich intensiv mit Kälte, Atmung und mentaler Kontrolle zu beschäftigen.
Durch spektakuläre Selbstversuche – wie das Besteigen des Kilimandscharo in Shorts oder ein Marathonlauf in der Arktis – bewies er, wozu der menschliche Körper mit Training und Willenskraft fähig ist.
Atemtechnik – kontrollierte Hyperventilation und Atemanhalten
Kälteexposition – kalte Duschen, Eisbäder, Schneeübungen
Konzentration und Fokus – mentale Disziplin, Visualisierung
Diese Praxis soll das Immunsystem stärken, die Stressresistenz erhöhen, die Durchblutung fördern und sogar bei Depressionen, Autoimmunerkrankungen oder chronischen Schmerzen helfen.
Zahlreiche Studien, u. a. der Radboud University, konnten erste Belege dafür finden, dass die Methode tatsächlich das autonome Nervensystem beeinflusst – etwas, das bis dahin als unmöglich galt.
Neben der Wim-Hof-Methode gibt es viele weitere Varianten, Kälte gezielt zur Gesundheitsförderung einzusetzen:
Klassische Naturheilmethode
Kalte Güsse, Wassertreten, Armbäder
Fördert Kreislauf, Stoffwechsel, Immunsystem
Anwendung in Kältekammern bei -110 °C bis -160 °C
Häufig in Sportmedizin zur Regeneration und Schmerzreduktion
Besonders verbreitet in Skandinavien, Osteuropa, Russland
Als Ausgleich zur Sauna oder zur Stärkung des Immunsystems
Alltagstauglich und beliebt im Bereich Biohacking
Schon wenige Sekunden am Morgen sollen den Kreislauf aktivieren und die Stimmung verbessern
Was viele berichten: Eisbaden verbindet. Das gemeinsame Überwinden von innerem Widerstand, das tiefe Atmen, das Lachen nach dem ersten Kälteschock – das alles schafft eine intensive, oft unerwartet emotionale Erfahrung.
Psychologisch stärkt Eisbaden:
Selbstwirksamkeit: Ich schaffe etwas Unbequemes
Achtsamkeit: Kälte zwingt zum Hier und Jetzt
Gemeinschaftsgefühl: „Wir frieren zusammen“ wird zum verbindenden Erlebnis
In schwierigen Zeiten – wie nach Trennungen, Burn-out oder in der Pandemie – entdecken viele Menschen in der Kälte eine neue Form von innerer Ordnung, Klarheit und Stärke.
Der Boom des Eisbadens ist kein Zufall: In einer Zeit der Dauerheizung, Komfortzonen und digitalen Überreizung suchen viele nach Erdung, nach Grenzerfahrung, nach Echtheit – und finden sie im eiskalten Wasser.
Wim Hof hat diese Bewegung populär gemacht, aber die Wurzeln sind viel älter. Ob durch kalte Duschen, Kneipp-Anwendungen oder Kältekammern: Die gezielte Konfrontation mit der Kälte kann körperlich wie psychisch stabilisierend wirken – wenn man sie bewusst, sicher und regelmäßig anwendet.
Vielleicht ist es also gar nicht so verrückt, mitten im Winter ins Wasser zu steigen – sondern ein Weg zurück zu sich selbst.
Starte mit 30 Sekunden kalter Dusche am Ende der normalen Dusche.
Achte auf ruhige, kontrollierte Atmung – nicht verkrampfen.
Gehe nie allein ins Eiswasser.
Höre auf deinen Körper – Kälte soll fordern, nicht gefährden.